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Karl Eimermacher: Panta Rhei: ... zwischen Himmel und Erde, zwischen Natur und Kultur ...

Ausstellung in der UB Bochum


Termine und Programm

Ort: Zentrales Treppenhaus der UB
Eröffnung: 22.11.2012, 17 Uhr, Etage 1, Raum 09
Dauer: 22.11.2012 - 22.1.2013
Eintritt ist frei



Anschrift / Anfahrt


Kontakt
Gisela Ogasa,
Universitätsbibliothek, Tel. 0234 - 32 27354




Zur Ausstellung

karl eimermacher: Panta Rhei: ... zwischen Himmel und Erde, zwischen Natur und Kultur ...

Am 22. November startet in der Universitätsbibliothek eine Ausstellung mit Fotoarbeiten von Karl Eimermacher, Emeritus der Fakultät für Slavistik an der RUB. Karl Eimermacher hat 2009 in der UB in seinem Werkzyklus "Aus dem Land der Roten Socken" mit der Schärfe lebensgeschichtlicher Erfahrungen in Ost und West und mit dem künstlerischen Mut zupackender Satire Szenen der Inszenierung von Macht und Versagen vor und nach der Zeitenwende gestaltet. Waren Zeichnungen und Skulpturen damals sein Medium, so beweist Eimermacher diesmal mit poetisch anmutenden Fotografien sperriger Sujets sein breites künstlerisches Spektrum in Form und Inhalt und beleuchtet verschiedene Facetten seines Themas:


karl eimermacher

Panta rhei 1: ... zwischen Himmel und Erde, zwischen Natur und Kultur...

Alles fließt, entsteht, vergeht, formt sich, deformiert sich, verliert seine Form, seine Struktur... Alles ist im Fluss: Nichts ist schön, nichts hässlich. Allein die Blickrichtung verwischt oder konturiert, wertet auf oder ab... Natur und Kultur stehen sich scheinbar gegenüber, wirken scharf von einander getrennt oder überlagern sich, auch weisen sie oft ähnliche Merkmale auf, gehen ineinander über. So kann aus Natur auch Kultur generiert werden, die ihrerseits Natur schützt oder sich wieder selbst auflöst und zur Un-Kultur deformiert. Müll ist ein Beispiel dafür. Müll, abstoßend und hässlich, kann auch interessant und schön sein. Entscheidend ist, wie man ihn ansieht, wie man ihn fasst, ihn also letztlich auf-fasst. So kann der fotografische Blick Müll aufwerten, durch einen neuen Kontext ästhetisieren. Er transformiert dadurch zu einer neuen Wirklichkeitsdimension und wird wieder ein Teil der Kultur. Panta rhei...


Panta rhei 2: Im Bewusstsein existiert nichts kontextfrei. So kann alles auf seine Weise angenehm, abstoßend oder interessant sein.

Denken wir an Erde – Wasser - Gezeiten des Meeres – Ufer -Häfen usw., so können wir ein ganzes Gestade assoziieren. Uns fällt dazu u. a. Schillers Fischerknabe („Am Gestade“) ein. Der Knabe im Fischerkahn singt „Es lächelt der See, er ladet zum Bade, Der Knabe schlief ein am grünen Gestade. Da hört er ein Klingen, Wie Flöten so süß, Wie Stimmen der Engel, Im Paradies...“ – Es ist ein schöner Traum...

Jahrelang träumte ich von einem Gestade, um in seiner Ursprünglichkeit Ruhe und Freiheit zu finden, eine Grundvoraussetzung für neue Gedanken. Es war der Traum von einer Idylle, die sich deutlich von der Welt voller Pflichten abhebt und emotional entlastet. Die Grenze zwischen der einen und der anderen Welt sollte eine Distanz zu unterschiedlichen Lebensräumen ermöglichen. Das Gestade, vor allem aber das Gestade am Meer schien eine neue Freiheit, einen idealen Freiraum zu bieten: Eine Welt ohne Spannungen, ohne ‚Zeitfenster’, ohne Verabredungen, ohne zeitlich festgelegte Termine, also ein Raum ohne Zeit, ohne Anfang und Ende, ein Raum, der eine offene, endlose Weite vermittelt, in der auch die Gedanken unbeschwert schweben könnten. So schien es jedenfalls. Der Traum von einer Idylle am Gestade blieb jedoch ein Traum. Panta rhei...


Panta rhei 3: Die Sehnsucht nach einer Idylle bleibt immer nur eine Sehnsucht. Und auch wenn die erträumte Idylle indirekt auf jene Realität verweist, in der sie als Kontrapunkt entstanden ist, so lässt sie eher eine neue Realität, eine andere ‚Welt’ aufscheinen, die mit Lebensalltag und den vielen tatsächlichen oder virtuellen Welten, die uns umgeben, koexistiert. Diese ‚andere Welt’ hat einen eigenen Schwerpunkt und unterscheidet sich deutlich von allen schon vorher bekannten ‚Welten’. Sie verlangt ihre eigene Aufmerksamkeit: In ihr versucht sich die Natur in einer Art Selbstreinigung von der Unkultur der Zerstörung und des Verfalls zu reinigen und sich zu erneuern.

Die Illusion von Freiheit und Distanz gegenüber dem verlassenen, durchorganisierten Alltagsraum wird damit relativiert. Die ‚Welten’, obwohl auf den ersten Blick sauber von einander getrennt, überwinden ihren Gegensatz und beginnen, sich wieder zu durchdringen. Die Grenzen zwischen ihnen verwischen sich erneut wie die Welt der Flora und Fauna, und das, obwohl ihre Gegensätzlichkeit genauso wesentlich ist wie ihre gegenseitige Vermischung. Das Ganze wirkt wie ein Analogon für das Verhältnis von Mensch und Umwelt, von Natur und Kultur. Unwillkürliche und willkürliche Prozesse nähern sich einander an. Panta rhei...


Panta rhei 4: Alles ist im Fluss, verändert sich, ist unwillkürlich oder willkürlich in Natur, Kultur und Zivilisation. Der Mensch als Element dieses Prozesses lebt in der Gewissheit oder aber auch Illusion, alles im Griff zu haben... Er übt Einfluss aus und wird gleichzeitig be-einflusst. Alle Strukturen, gleich, ob symmetrisch oder asymmetrisch, geordnet oder chaotisch, bilden sich ständig neu, verfließen und vergehen. Kompliziertes vereinfacht sich, wird fragmentiert, manipuliert, transformiert, neu zusammengesetzt, synthetisiert und zu einem neuen komplexen Ganzen verbunden - und dies unaufhörlich in Raum und Zeit. Die ewige Wiederkehr des Gleichen und Ähnlichen lässt Zeit und Raum vergessen... Sie verweist auf die Kontinuität des Veränderlichen, scheinbar Neuen in Natur und Kultur. Grundlegende Innovationen sind zufällig und nur sehr selten anzutreffen. Die Durchbrechung dieses Prozesses kommt einer Sensation gleich. Aber wo bleiben die Möglichkeiten des Kreativen, ist sein Potential begrenzt? Panta rhei...

Passt eine solche Ausstellung des Zufälligen, Veränderlichen, nur schwer Kalkulierbaren in eine Universitätsbibliothek, in der es um geordnetes, sicheres Wissen geht? Ja, denn auch in den Bücherbeständen einer Universitätsbibliothek steht das Verhältnis von strukturiertem und unstrukturiertem Wissen, von Ordnung, Nichtordnung und Unordnung im Zentrum. Gesucht werden Regeln für komplexe Zusammenhänge, Baupläne der Natur und Kultur. Aber es geht auch um die Frage nach dem Stellenwert, den Literatur, Musik, Kunst, also alle medialen Äußerungsformen für sich und im Zusammenspiel innerhalb dieses Wechselspiels besitzen.


In eigener Sache: Was im Foto festgehalten wird, ist immer Dokumentation. Die hier bildlich vorgeführten Objekte sind nie inszeniert, nie arrangiert, sondern werden so gezeigt, wie sie vorgefunden wurden. Die Fotos führen Fundstücke der Natur und Kultur vor, die im Laufe von über zwanzig Jahren an sehr unterschiedlichen ‚Gestaden’ aufgenommen wurden. Der Ausgangspunkt war das Meer mit seinen Dämmen im holländischen Zeeland... Einzig der Bildausschnitt ist bewusst gewählt und ermöglicht eine ästhetische Interpretation. Die meisten Makroaufnahmen wurden mit einem analog arbeitenden Apparat aufgenommen und sind nicht bearbeitet.

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