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Otto Pankok und Geächtete

 

Termine und Programm

Eröffnung: Mittwoch, der 5. November 2008
Uhrzeit: 17.30 Uhr
Ort: Universitätsbibliothek, Universitätsstr. 150, Etage 1
Dauer: 5.11.2008 - 31.1.2009
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 8 - 24 Uhr, Samstag von 11 - 20 Uhr, Sonntag von 11 - 18 Uhr

Begrüßung:
Gerhard Möller, Kanzler der RUB
Einführung:
Dr. Erdmute Lapp, Direktorin der Universitätsbibliothek
Anwesend:
Eva Pankok

Kontakt:
Gisela Ogasa, Tel. 0234 - 32 27 354

 

Zur Ausstellung

Otto Pankok und Geächtete

Am 5. November 2008 eröffnet die Universitätsbibliothek Bochum die Ausstellung „Otto Pankok und Geächtete“, die bis zum 31. Januar 2009 gezeigt wird.

In Zusammenarbeit mit der Otto-Pankok-Gesellschaft präsentiert die Universitätsbibliothek 30 Druckgraphiken aus dem Nachlass des Künstlers. Die Exponate sind eine Leihgabe von Eva Pankok.

Die Idee, Werke von Otto Pankok an der Universität Bochum zu zeigen, entstand bei den Treffen der Mitglieder der Otto-Pankok-Gesellschaft, die festgestellt haben, dass das Werk Otto Pankoks gerade vielen jungen Menschen nicht mehr bekannt ist. Mit großem Einsatz hat Herr Dr. Lennartz, Mitglied der Gesellschaft und bis 2007 Mitarbeiter an der Ruhruniversität, die Realisierung der Ausstellung verfolgt. Eva Pankok, Tochter und Erbin des Künstlers, wird neben weiteren Mitgliedern der Otto-Pankok-Gesellschaft bei der Vernissage anwesend sein und freut sich auf einen Dialog insbesondere mit Studierenden der RUB.

Gezeigt werden Holzdrucke, die im Auftrag von Eva Pankok durch den Drucker erstellt wurden, der noch von Otto Pankok selbst nach seinen künstlerischen Vorstellung in die Ausführung der Drucke eingewiesen wurde.

Die Auswahl konzentriert sich auf ein Hauptthema des Künstlers, der 1937 von den Nationalsozialisten mit Malverbot belegt wurde und selbst der Verfolgung ausgesetzt war: die unter Unterdrückung und gesellschaftlicher Ächtung leidenden Menschen. Neben Portraits von Juden und Darstellungen von Zigeunern aus den 40er Jahren wird auch der Druck „666“ aus dem Jahr 1965 gezeigt, einer späteren Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Regime.

Rund 15 Drucke entstammen dem Zyklus „Die Räuber vom Liang Schan Moor“, Illustrationen von Otto Pankok zu einem chinesischen Volksroman. Erzählt wird die Geschichte von 37 Partisanen, die im alten China gegen Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen. Die thematischen Bezüge zum Terrorregime des Dritten Reiches verdeutlicht Pankok u.a. durch Verwendung von Symbolen, die auf den Nationalsozialismus verweisen.

Weitere Informationen zu Künstler und Werk finden Sie hier:

Literatur zu Pankok in der Deutschen Nationalbibliothek

Literatur zu Otto Pankok im BAM-Kunstportal


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Einführung (Dr. Erda Lapp)

Holzschnitt Pankok Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,
liebe Frau Pankok,

auch ich begrüße Sie alle herzlich in der UB Bochum zur Eröffnung der Ausstellung Otto Pankok und Geächtete. In Zusammenarbeit mit der Otto Pankok-Gesellschaft zeigt die UB Bochum von heute bis mindestens Ende Januar 09 Druckgraphiken aus dem Nachlass des Künstlers Otto Pankok.

Wir danken Frau Eva Pankok, deren großzügige Leihgaben diese Ausstellung möglich gemacht haben. Wir freuen uns besonders, dass Sie den Weg zu uns auf sich genommen haben. Wir wissen das zu schätzen.

Danken möchte ich auch Frau Annette Burger, die Frau Pankok unterstützt und mit der wir im Rahmen der Vorbereitungen zu dieser Ausstellung intensiv zusammenarbeiten durften. Wir bewundern ihr Engagement und ihren Einsatz.

Weiter möchte ich Herrn Dr. Lennartz danken, Mitglied der Otto Pankok-Gesellschaft und bis 2007 Mitarbeiter der RUB, der den Kontakt zur Otto Pankok-Gesellschaft und zu Frau Pankok hergestellt hat und diese Ausstellung mit großem Engagement begleitet hat.

Unser Dank gilt auch unserem Kanzler, Herrn Möller, der diese Ausstellung in der UB gefördert hat.

Und ich danke Herrn Michael Cleff, der uns bei der Hängung beraten hat und die Klemmtechnik mit den Holzklötzchen für uns entwickelt hat. Damit ist ihm die Lösung eines Problems gelungen, das auch in großen Museen bekannt ist. Das Problem besteht darin, dass viele Kunstwerke auf so empfindliches Papier gedruckt sind, dass man nicht kleben kann, aber dass das Kunstwerk im Rahmen mit Hohlraum irgendwie befestigt werden muss. Was jetzt so genial einfach aussieht, ist das Ergebnis von intensivem Nachdenken und Experimentieren.

Wir durften aus dem Werkkatalog von Otto Pankok Bilder aussuchen, die im Auftrag von Eva Pankok durch einen Drucker erstellt wurden, der noch von Otto Pankok selbst in die Druckausführung eingewiesen wurde und nach Otto Pankoks künstlerischen Vorstellungen arbeitet.

Unsere Bildauswahl konzentriert sich auf ein Hauptthema in Otto Pankoks Werk: ausgegrenzte und unterdrückte Menschen, denen die Sympathie des Künstlers gilt, und zwar aus allen Schaffensphasen des Künstlers.

Der 1891 geborene Otto Pankok hatte zum Zeitpunkt der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten sein künstlerisches Potential voll entfaltet, und obwohl er in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen war, gehörte er durch die Arbeit als engagierter Künstler ebenfalls zu den von diesem Regime Geächteten. Er zog sich 1935 aus der Öffentlichkeit in das Münsterland zurück, 1936 belegten die Nationalsozialisten Otto Pankok mit Arbeitsverbot. 1937 wurden 56 seiner Werke in deutschen Museen beschlagnahmt, und in der Ausstellung „Entartete Kunst“ im Haus der Kunst in München wurden Zigeunerbilder von Otto Pankok gezeigt.

Wir haben 2 Selbstportraits von Otto Pankok für diese Ausstellung ausgewählt: ein großes Portrait aus dem Jahr 1958, das am Treppenaufgang in die UB hängt, und ein Portrait, das 1955 in Montenegro entstanden ist.

Etwa die Hälfte der Drucke, die wir zeigen, stammen aus dem Zyklus von Illustrationen zu dem chinesischen Volksroman „Die Räuber vom Liang Schan Moor“. Der Roman erzählt die Geschichte von Partisanen, die im kaiserlichen China gegen Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Willkür kämpften. Herr Günter Goebbels von der Pankok-Gesellschaft hat uns die Ausgabe des Räuberromans, die Otto Pankok gelesen hat, sowie Informationen zur Rezeption der Räubergeschichten in China für diese Ausstellung zur Verfügung gestellt; wir zeigen die Exponate in den Vitrinen. Herrn Goebbels, der heute leider nicht anwesend sein kann, danken wir sehr.

Mit seinen Illustrationen zu dem chinesischen Räuberroman ging es Otto Pankok um Bezüge zum Terrorregime des Dritten Reichs, darauf verweist er u.a. durch Hakenkreuze an den Mützen einiger chinesischen Figuren. Andererseits sind die gerechten Räuber deutlich Sympathieträger, das ist ohne Kenntnis der Zusammenhänge zweifelsfrei erkennbar: Schauen Sie sich beispielsweise die Fischesser mit dem Titel „Räuber“ auf dem Druck von 1956 „Fischessen in der Klampenlaube“ an.

Außer den Räubern haben wir Zigeunerbilder ausgewählt (Zigeunerkinder, das junge Zigeunermädchen Blume, einen jungen Zigeuner), außerdem Bilder von Juden. Die Juden sind alte Männer und Frauen, nur die strenge Dame mit dem Titel „Die Böse“ ist erst ältlich. Sie könnte eine jüdische Klavierlehrerin sein. Aus Sparsamkeit oder weil es sie nicht interessiert, dass sich die Mode geändert hat, trägt sie ein Kleid in der Mode des 19. Jahrhunderts. Vermutlich ist sie nicht böse sondern nur streng. Die alten Jüdinnen haben faltige Gesichter und dünne wirre Haare. In unserer durch die Märchen tradierten Vorstellung von Hexen sind dies böse alte Frauen mit übernatürlichen Kräften. Alte Menschen hat die nationalsozialistische Ideologie verachtet, ganz gleich welcher ethnischen Zugehörigkeit sie waren.

Den Zigeunern werden ebenfalls Zauberkräfte nachgesagt. Das schöne Zigeunermädchen Blume erinnert an Carmen oder eine andere junge Hexe. Junge Hexen symbolisieren ganz andere Ängste als alte Hexen. Außerdem haben wir Tiere ausgewählt, die Hexen und Juden zugeordnet werden (Katzen und Krähen). Der Hahn ist ebenfalls angstbesetzt. Dazu haben wir die Hitler-Karikatur „Das andere Tier“ gehängt, die Hitler als das Tier aus der Apokalypse zeigt.

Wir haben für die Ausstellung den Titel „Otto Pankok und Geächtete“ gewählt, um nichts zu verharmlosen. Die Ächtung war eine schwere Strafe des germanischen und alten deutschen Rechts. Sie bedeutete die Ausstoßung des Geächteten aus der menschlichen Gesellschaft und das Verbot, ihm beizustehen. Dieses Verbot bestand für Juden, Zigeuner und russische Kriegsgefangene während der Zeit des Nationalsozialismus.

Warum wurden Juden, Zigeuner, Alte, Russen, Künstler geächtet? Sie sind anders, sie leben anders und werden deshalb zutiefst abgelehnt. Gleichzeitig gibt es in dem Anderssein Aspekte, die die nationalsozialistischen Kleinbürger sich nicht trauten, attraktiv zu finden: beispielsweise die Freiheit der Künstler, für ihre Kunst zu leben, die Ungebundenheit der Zigeuner, den Intellekt der Juden, die Weisheit des Alters.

Heute durchschauen wir den psychologischen Mechanismus von Ablehnung des Fremden / Anziehung des Fremden. An der RUB studieren junge Leute aus der ganzen Welt. In einer Universität und in einer Bibliothek sollte es keine Angst vor dem Unbekannten/Fremden geben; im Gegenteil, wir sehen täglich, wie andere Perspektiven uns bereichern. Wir wissen, dass es nicht selbstverständlich ist, in einer Gesellschaft zu leben, die das Andere zulassen kann. Wir sehen es als eine unserer Aufgaben an, daran zu erinnern, dass das Fremde in der Vergangenheit in Deutschland geächtet wurde, und dass die Folgen davon apokalyptisch waren.

Die Bilder von Otto Pankok fordern uns auf, das Fremde so liebevoll zuzulassen, wie er es mit den Zigeunerkindern, den fischessenden Räubern und den anderen Figuren in dieser Ausstellung getan hat. Um die Botschaft zu verstärken, haben wir 2 Engelbilder von Otto Pankok für diese Ausstellung dazugewählt, und zwar die „Sendung der Engel“ (1959) und die „Angst des Engels“ (1965). Wie Otto Pankok glauben auch wir an Engel; sie sind die Kraft, die das Liebevolle ermöglicht – Liebe nicht als Gefühl sondern als Zuwendung.

Ich wünsche uns allen, dass in der Betrachtung dieser Bilder das Unbekannte von seiner Bedrohlichkeit verliert und gute Gespräche untereinander und mit Frau Eva Pankok.

05.11.2008


 

Liste der Exponate

Die mehr als 800 Holzdrucke, die Otto Pankok geschaffen hat, werden im Werkverzeichnis von Rainer Zimmermann in fünf Abschnitte gegliedert. Die in der Universitätsbibliothek gezeigten Arbeiten lassen sich dem frühen, mittleren und späten Werk zuordnen. Die erläuternden Texte sind Auszüge aus Zimmermanns Einleitung des Werkverzeichnisses:

Otto Pankok: Die Holzschnitte – Werkverzeichnis Band 1. Bearbeitet und eingeleitet von Rainer Zimmermann. Düsseldorf: Droste 1985.


Das frühe Werk (1936 – 1946)

„Im Mittelpunkt der frühen Werks, das das Jahrzehnt von 1936 bis 1946 füllt (WH 70 – 189), stehen thematisch die Zigeuner und die >>Passion<< im Jahre 1936 und die verfolgten Juden 1942/43. Pankok griff nun im Holzschnitt und 1942 erstmals auch im Farbholzschnitt die Thematik seiner Kohlebilder von den Zigeunern im Heinefeldt (1932/34) und später seine Visionen des jüdischen Schicksals auf (9). Nach Eindrücken, die der Künstler im Düsseldorfer Zoo skizziert hatte, entstand im Jahr 1938 eine Reihe charaktervoller Tierbilder“. (Werkverzeichnis 1, S. 15)


Jude mit Bart und Mütze, 1942

Sitzender Jude, 1942

Alte mit Locken, 1942

Alte mit Kopftuch, 1942

Zwei Kinder, 1943

"Blume" mit Zopf, 1943

Russenkopf, 1943

Das mittlere Werk (1947 – 1952)

„Eine ungewöhnliche Ausweitung erfährt die Arbeit des Holzschneidens nach der Berufung als Lehrer an die Düsseldorfer Kunstakademie. Damit beginnt das mittlere Werk von 1947 bis 1952, also bis etwa zum 60. Lebensjahr (WH 190 – WH 415). Im Vollbesitz seiner künstlerischen Erfahrung entfaltet Pankok nun sein Holzschnittwerk in der ganzen thematischen Breite und stilistischen Vielfalt.“ (Werkverzeichnis 1, S. 15)


Zwei Mädchen, 1947

Die alte Näherin, 1947

Tutta 1, 1947

Lauschende Kinder, 1947

Die Böse, 1947

Zigeunerkopf, 1947

Das späte Werk (1953 – 1958)

„Der mächtige Impuls, den die Eindrücke der sechs Jugoslawien-Reisen (1953-1956) dem Holzschneiden brachten, legt es nahe, die letzten Akademiejahre als eigenen Abschnitt zusammenzufassen: Das späte Werk von 1953 bis 1958 (WH 416 – WH 565) hat seinen Höhepunkt zeitlich in den Jahren 1955/56 und thematisch in den mazedonischen Motiven und der Illustrationsfolge zum chinesischen Volksroman >>Die Räuber vom Liang Schan Moor<<; mit diesen Blättern sind mehr als die Hälfte der damaligen Arbeiten als Farbholzschnitte angelegt.“ (Werkverzeichnis 1, S. 15)


Selbst in Njegusi, 1955
 
Lauernde Katze, 1958

Der Eiserne Büffel zieht seine Bahn, 1956

Der Eiserne Mönch reisst einen Baum aus, 1956

Das Erwachen der Ausgeplünderten, 1956

Wolkendrache vernichtet die Polizeiflotte, 1956

Dreissig Pfund Gehacktes, 1956

Donnerschlag wird gewarnt, 1956

Fährmann Bluthund, 1956

Fischessen in der Klampenlaube, 1956

Kampf mit den Tigern, 1956

Die Zorneslohe des Herrn Li, 1956

Teufelsfratze, 1956

Die böse Pai schlägt alte Mutter, 1956

Der Tiger stürzt vom Felsen, 1957

Pantherschädel begegnet dem Edelmann Tschai, 1957

Räuberkopf, 1959
 

Das Alterswerk (1959 – 1969)

„Die Übersiedlung nach Haus Esselt bei Drevenack an der Grenze vom Niederrhein zum Münsterland nach dem Ende der Lehrtätigkeit führte erneut zu einer auffallenden Belebung des Holzschnittes. Das Alterwerk von 1959 bis 1966 beginnt mit einer Hinwendung zur Natur und Landschaft, mit der Darstellung von Tieren und Pflanzen in der neuen Umgebung, bezieht aber sehr bald wieder alle wichtigen Themenkreise mit ein.“ (Werkverzeichnis 1, S. 15)


Sendung der Engel, 1959

Angst des Engels, 1965

Flügelschlagender Hahn, 1969

"666" Das andere Tier